Die Umverteilung durch den Zins
2008 musste die deutsche Wirtschaft noch eine Zinslast von 441 Mrd. Euro stemmen. Acht von zehn Haushalten waren dabei Netto-Zinszahler, wie unser Umverteilungsrechner zeigt. Aufgrund der sinkenden Zinsen ist die Zinsbelastung bis 2015 auf 200 Mrd. Euro gesunken. Anders als uns die meisten Medien weismachen wollen, profitieren 80 Prozent der Menschen von den sinkenden Zinsen und der Einführung von Negativzinsen.
Die Darstellung basiert auf dem Artikel "Wie groß ist die Umverteilung durch den Zins?" von Helmut Creutz in Fairconomy Nr. 3/2010 (S. 4-9). In allen Tabellen und auch in der Grafik sind die Haushalte einer Währungsgemeinschaft nach ihrem zinsbringenden Vermögen geordnet. Die voreingestellten Werte entsprechen der Situation in Deutschland (nach Bundesbankzahlen von 2007).
Ein „mittleres“ Haushaltsvermögen liegt demnach zwischen 12.000 und 60.000 € (Gruppen 5 und 6). Das Vermögen der reichsten zehn Prozent liegt bei durchschnittlich beinahe 2 Millionen €.
Die Einkommen aus Zinsen ergeben sich aus den Vermögen und den weiter unten unter "Zinsumfeld" wählbaren Zinssätzen. Natürlich gibt es auch sonstige Einkommen, z.B. aus Erwerbsarbeit, Altersrente oder Arbeitslosengeld. In der Tabelle sind für Deutschland passende Werte voreingestellt.
Nicht so wichtig wie die ungleiche Vermögensverteilung, aber auch nicht unerheblich bei der Zinsumverteilung, ist die unterschiedliche Höhe der Ersparnis in den einzelnen Haushaltsgruppen, hier berechnet als Differenz aus Einnahmen (inklusive Zinsen) minus Ausgaben (wobei 2019 in der aktualisierten Version des Rechners in etwa zu Einnahmen und Vermögen passende Ausgaben angenommen wurden).
Die jährlichen Zinseinnahmen ergeben sich einfach aus Vermögen mal Zinssatz, wobei in dieser Simulation für das reichste Haushaltszehntel ein eigener Zinssatz gewählt werden kann, da Menschen mit mehr Geld dieses üblicherweise riskanter und längerfristiger und damit letztlich rentabler anlegen können. Helmut Creutz hatte 2010 den realen Durchschnittszinssatz von 4,2% für das reichste Zehntel "auf 4,6% angehoben und bei den übrigen Haushalten entsprechend abgesenkt." (auf 3,8%).
Die Zinslasten sind keineswegs nur für eigene Kredite zu zahlende Zinsen, sondern sie entstehen vor allem (in dieser Simulation ausschließlich) durch den in den Ausgaben enthaltenen Zinsanteil.
In den Einstellungen kann der Zinsanteil für diese Simulation frei gewählt werden. Vor allem ist es aber auch möglich, ihn berechnen zu lassen, so dass er den Zinseinnahmen genau entspricht. Logischerweise müssen Zins-Einnahmen und Zins-Zahlungen innerhalb eines Währungsraums insgesamt genau gleich hoch sein.
Globale Bilanz
Lässt man den Rechner die erweiterten Einstellungen einblenden, indem man auf das Zahnrad im Kasten mit dem Fairconomy-Logo klickt, kann man weitere Einstellungen vornehmen. So lassen sich alle Zahlen, mit denen gerechnet wird, anpassen: die Vermögen, Einkommen und Ausgaben der zehn nach Vermögen sortierten Haushaltsgruppen können beliebig eingestellt werden.
Es erscheint jetzt auch ein Kasten "globale Bilanz". Hier wird zum einen der Zinsüberschussder Haushaltsgruppen (die quasi einen Wirtschaftsraum bilden) ausgewiesen. Bei automatisch berechnetem Zinsanteil (Wahlmöglichkeit unter "Zinsumfeld") ist dieser immer 0. Ist die Zahl positiv, machen die Haushalte Gewinn, vermutlich zu Lasten des Staates, der Unternehmen, oder anderer Haushalte ("Ausland"), bei einer negativen Zahl entsprechend Verlust.
Tatsächlich ist das Umverteilungssystem von der Anzahl der daran teilnehmenden Haushalte weitgehend unabhängig! (Abgesehen davon, dass sie so groß sein muss, dass der eine eigene Haushalt nicht ins Gewicht fällt, da seine Werte hier nicht in die Berechnung einfließen). Zum Verständnis des Systems ist es aber hilfreich, kleine, durch 10 teilbare Anzahlen einzustellen: 10, 100 oder 1000 Haushalte.
Vermögensverteilung in Deutschland
Diese Grafik, Verteilung der Nettovermögen*) der privaten Haushalte in Deutschland: 2010, 2014 und 2017 ist aus dem Monatsbericht 2019 der Deutschen Bundesbank. Sie bestätigt die Darstellung in unserem Rechner (und die daraus folgende Entwicklung).
Verlässliche Zahlen über die Vermögensverteilung zu bekommen, ist gar nicht so leicht. Das System funktioniert aber in der oben dargestellten Weise – unabhängig davon, wie hoch die Werte im einzelnen genau sind.
Weitere Überlegungen
Besonders interessant ist die Gegenüberstellung dieser Zinsumverteilung mit der Freigeld-Umverteilung!
Es ist möglich, dass die Vermögen noch nicht so weit auseinanderdriften, wie in der ersten Tabelle voreingestellt. Laut EVS 2008 bezieht ein deutscher Haushalt im Durchschnitt (sicher ist das arithmetische Mittel gemeint) nur 385 €/Monat aus Zinsen, wobei der Durchschnitt bei der gegebenen Vermögensverteilung wenig aussagt: Die Haushalte im oberen Vermögenszehntel bekämen davon ihrem Vermögensanteil entsprtabechend mehr als 61 Prozent, also im Durchschnitt mehr als 385 * 10 * 0,61 = 2.349 € pro Monat (28.188 €/Jahr). Für die zweite Gruppe ergeben sich entsprechend 385 * 10 * 0,19 = 732 €/Monat und für die übrigen acht Gruppen im Durchschnitt magere 385 * 10 * 0,2 / 8 = 96 €/Monat. Vielleicht werden in der EVS Zinsen aber auch einfach wörtlicher genommen und Mieteinnahmen und Aktiengewinne nicht dazugerechnet.
Dieser Umverteilungsrechner wurde von Vlado Plaga konstruiert. Die verbesserte Neugestaltung 2019 ist Ruben Artmann zu verdanken.